Archiv für Juli 2006


von Zombies und anderen Monstern

Sonntag, 30. Juli 2006, 12:09. Tag 105 der Reise.

So jetzt haben wir ihn hinter uns, den obligatorischen Landwirtschaftsjob in Australien, zwei Wochen lang Weinverschneiden. An sich eine angenehme Arbeit, kein Bücken, kein Heben, etwas Sonnenschutz durch ein großes Netz über dem Feld, aber schon nach der dritten oder vierten Pflanze merkt man, daß der Job mit der Zeit blöde macht. Er ist stupide und langweilig. Irgendwann fangen die Finger von allein an die Schere zu bedienen und mit den Gummis die Äste am Draht festzumachen - das Hirn schaltet ab, was soll es auch anderes machen.

Beim miteinander Reden ist der Informationsgehalt der Gespräche ab und zu nahe Null, vor allem wenn man schon drei Monate zusammen unterwegs ist. Mal fängt man an über den Unterschied zwischen Zynismus, Ironie und Sarkasmus zu philosophieren und ärgert sich, daß man nicht überall auf Wikipedia zugreifen kann. Dann freut man sich, daß mal wieder ein Prachtexmplar von Spinne über einen schwebt und zeigt den Fang voller Stolz dem Anderen.

Da hilft es schon Musik zu hören, entweder “Triple J” oder die eigenen MP3s (Danke für den Spieler Squash-Junx - hier war er mal wieder von hohem Nutzen!). Hier fängt das Hirn dann aber zu arbeiten, die Hände braucht es nicht zu steuern und da der andere auch Musik hört, braucht man nicht zu reden. Man denkt nach über Gott und die Welt, über Freunde, Erlebtes, Gefühle, Zukunft, Familie, was man anders machen könnte, …. (Denis, hast du mir deswegen das Hirnwixxbuch geschenkt? - Das mach ich doch sonst nie!) Doch irgendwie endet alles in Schleifen.

Wuchernde Pflanzen, die anscheinend schon seit Jahrzehnten ungestört gewachsen sind,bringen aus uns nur noch Fluchen hervor. Das Entästen des Baumes hat viel von einem Kampf Mensch - Alien. Der Sieger steht vielleicht fest, aber die Pflanzen schlagen öfters mal zurück und haben Unterstützung. Rückwirkend bis zum ersten Tag gibt es übrigens zwanzig Prozent mehr Lohn, da es dieses Jahr besonders schwer geht, meint der Bauer.

Der Heimweg ist dann wie eine Geisterbahnfahrt, nur das die Zombies im Auto sitzen und nicht am Wegesrand. Wir beide starren einfach nur gerade aus, hören laute Musik. Ohne viel zu sagen, geht es zum Campingsplatz und erst eine Dusche weckt wieder die Lebensgeister.

Heut gab es erstmal ein richtiges Becks (schweinisch teuer hier!) und Whisky-Cola!

der BERND

P.S.: Wir haben ein tolles Tauchvideo online!

Landarbeiterschutzregen

Montag, 24. Juli 2006, 13:04. Tag 99 der Reise.

Pisswetter. Ganz uebel. Und wir haben endlich mal wieder Zeit ein bisschen zu lesen, oder halt auch zu schreiben! Seit Mittwoch sind wir naemlich unter die Weinbauern gegangen und seitdem zu nichts mehr gekommen. Hier in Geraldton herrscht Winter und das ist die Zeit, in der die Weinstoecke verschnitten werden muessen. Den Job haben wir im Netz gefunden und nun heisst es jeden Morgen um sechs raus und zum Weinfeld (nee, nicht -berg) fahren. Bezahlt werden $200 pro Reihe - in acht Stunden schaffen wir zusammen fast eine Reihe, also ca. $180, macht pro Person $90, nach Steuer $63, pro Stunde $8, in Euro 4,80 die Stunde. Toll, nich? Wenn die Steuer nicht waer, koennte man damit auch wirklich zufrieden sein. Aber Freibetraege gibt es nicht fuer Traveller; zumindest nicht fuer deutsche. :-(

Und heute Mittag hat es angefangen ordentlich zu regnen und es sieht nicht so aus, als ob es heute noch aufhoeren wollte. Wir schlafen jetzt jeden Tag auf dem Campingplatz, da wir nach der Arbeit auch eine Dusche brauchen. Ansonsten gibt es momentan nicht mal viel zu berichten: Abends tun uns die Haende weh vom Schneiden, Reissen, Biegen, Brechen; Geraldton hat drei Supermaerkte und wenige, extrem teure Internetcafes; und wir haben unser naechstes Bier angesetzt :-) Dabei handelt es sich um ein Bavarian Lager. Haben uns in der Hoffnung, dass es sich dabei um ein Hefeweizen handelt, fuer diese Sorte entschieden. Ob es vielleicht doch nur ein Helles ist? Dominik, was sagst Du denn dazu?

Gruesse aus dem Landarbeiterschutzregen in den Sonnenschein!

der Yaron

Staatsbesuch

Montag, 24. Juli 2006, 11:00. Tag 99 der Reise.

Voller Staunen blicken wir noch immer auf die Stromatolithen zurück, als wir letzte Woche Dienstag die Hutt River Province betreten. Dort hat sich ein Bauer in den 70iger Jahren des letzten Jahrhunderts aus wirtschaftlicher Not von Australien losgesagt, damit seinen eigenen Staat gegründet und das Ganze ist auch noch rechtens. Zumindest beruft er sich auf ein steinaltes Gesetz und bis jetzt hat noch kein Gericht gegen ihn entschieden. Offiziell wird das Land von keinem anderen anerkannt, hat aber neuerdings zwei Diplomaten an die Elfenbeinküste entdandt.

Sich selbst nennt er jetzt Prinz, hat auf seinen 75 Quadratkilometern eine eigene Post, irgendwo auch eine Armee und begrüßt seine Gäste selbst. Uns hat seine Majestät höchst persönlich einen Visastempel in den Pass gesetzt und durchs Museum geführt.

Im Großen und Ganzen wirkt das Projekt Hutt River mittlerweile etwas verschlafen, die Häuser sind heruntergekommen, Gäste scheinen auch kaum da zu sein und im Souvenirshop verstaubt der Schnickschnack. Sehenswert war auf jeden Fall die Kirche. Mit je einem Thron für den Prinzen und seine Frau und einer Menge kitschiger, christlicher Bilder an der Wand.

Gen Ende unseres Besuchs war der Staatschef dann doch irgendwohin verschwunden und im Hintergrund hörte man nur noch das Dieselagregat surren (Strom und Wasser bekommt er nämlich nicht aus Australien!), während wir uns wieder auf den Weg machten.

Wieder ein Land auf unserer Weltreise hinter uns gelassen!

der BERND

Monkey Mia

Sonntag, 16. Juli 2006, 12:27. Tag 91 der Reise.

Heute haben wir einen Abstecher nach Monkey Mia gemacht und wollten uns dort Delphine anschauen. Dort angekommen, wurde uns allerdings versichert, dass man nach der Fuetterung vormittags kaum eine Chance hat Delphine zu Gesicht zu bekommen. Das war dann auch so. Als Rettungsanker haben wir uns dann noch ganz in der Naehe die Stromatolithen angeschaut - so etwas wie Gestein, das von Cyanobakterien gebaut wird, die heute noch leben wie damals, als das Leben erfunden wurde. Kruemelige Steine im Wasser, das war echt beeindruckend ;-)

Brumm Broome

Sonntag, 16. Juli 2006, 10:22. Tag 91 der Reise.

Die dritte der tollen Staedte im Norden ((zeitlich) nach Cairns und Darwin) ist Broome. Der Aussenpostenpokal geht auf jeden Fall an Broome - die Stadt, die naeher an Bali als an jeder australischen Grossstadt liegt. Ganz weit im Norden der Westkueste ist sie auf der einen Seite vom Outback, also einer Unmenge an Nichts, und auf der anderen Seite vom Indischen Ozean, einer weiteren Unmenge an Nichts, umgeben. Trotz des vielen Platzes ist die Stadt ziemlich kompakt. Vielleicht ein bisschen zu kompakt, wenn man abends mit der Heimat telefoniert und von einer im Landeanflug befindlichen Boeing B737-700 (na der Bernd hat’s gewusst) unterbrochen wird, die urploetzlich um die zwanzig Meter ueber einem durch die Luft fegt.

Dann doch etwas ausserhalb der Stadt befindet sich der richtige Strand: Cable Beach. Wahnsinn! Feiner sauberer Sand auf einem irre breiten Streifen am Meer. Das ganze bildet auch eine super Kulisse fuer den Sonnenuntergang, der ja an der Westkueste sowieso unschlagbar besser ist als im Rest des Landes.

Beim Verlassen der Stadt macht sich ein komisches Gefuehl breit: Wie kann dieses tolle Fleckchen in der Umgebung von unendlich viel rotem Dreck und trockenem Gebuesch existieren? Waren wir nicht eben noch in der Zivilisation und jetzt sind wir in karger Wildnis? Zivilisationsschock umgekehrt.

Tag achtundachzig und die Hoffnung

Sonntag, 16. Juli 2006, 9:06. Tag 91 der Reise.

Vorvorgestern: Es ist Tag achtundachzig und wir sind zuversichtlich in Richtung Exmouth unterwegs, bis uns die leuchtende Tankanzeige klarzumachen versucht, dass unser Spritverbrauch und damit unsere Reichweite groesseren Schwankungen unterliegen. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt und die naechste Tankstelle ist nun mal die in Exmouth. Zwanzig Kilometer vor dem Ziel fange ich an zu rechnen, wie lange man denn zu Fuss zur Tankstelle und zurueck braucht. Nach dem ersten Ueberschlag verlasse ich mich dann doch wieder auf die Hoffnung. Schliesslich aber kommt es, wie es kommen muss — sonst waere das wohl auch keinen Artikel wert. Es sind noch sieben Kilometer und es geht keinen Meter mehr weiter.

Ich: Wasser, Portemonaie und Jacke geschnappt, mich an die Strasse gestellt und Finger raus. Zeigefinger. Daumen kann hier als eine Beleidigung gedeutet werden. Der zweite, der vorbeikommt, haelt auch gleich an und will mich in die Stadt mitnehmen. Als ich mich freudestrahlend zwischen die Eltern in der ersten und die Kinder in der dritten Reihe im Auto platziere, fragt der Fahrer, ob er uns nicht gleich abschleppen solle.

Als verantwortungsbewusster Familienvater hat er natuerlich ein Abschleppseil dabei und schon geht es los. Es folgen zehn Minuten aufmerksames Hinterherlenken und Bremsen und Ablenkung durch die begeistert winkenden Kinder vor uns. An der Tankstelle angekommen, will sich unser freundlicher Helfer sofort aus dem Staub machen. Aber wir koennen ihn lang genug aufhalten, um ihm zwei unserer leckeren Biere mitgeben zu koennen.

Den Tank wieder gefuellt, gilt es jetzt allerdings herauszufinden, was man nun wie entlueften muss, damit die Einspritzung wieder funktioniert. Also ein kurzer Anruf zu Hause und gleich danach ein noch kuerzerer bei der fachkundigen Verwandtschaft im Mazda-Autohaus. Mit Hilfe unseres Universallieblingswerkzeugs, dem Franzosen, ist der Rest ein Kinderspiel und wir sind wieder auf Achse. :-)

...von den Menschen berührt, die an dem Friedhof standen, am Ende eines Lebens. (Tomte)